Der 5. Dezember 2015 war der internationale Tag des Ehrenamts. Vom Bundespräsidenten wurden im ehrwürdigen Schloss Bellevue Menschen geehrt, die sich ehrenamtlich engagieren. Und obwohl der mu:v-Initiative diese Ehre nicht zu Teil wurde, haben wir uns auch ein bisschen mitgeehrt gefühlt, denn schließlich machen wir genau genommen auch so etwas Ähnliches wie Ehrenamt. Und mu:v-lerin Franzi Spohr wurde erst kürzlich zum Fachausschuss „Engagement und Ehrenamt“ der Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (BKJ) eingeladen. Genug der Ehre also?
Ehrenamt klingt zuerst vielleicht ein bisschen nach alten Menschen. Als müsse man sich ein Ehrenamt im Lauf des Lebens verdienen. Als wäre es auch ein bisschen Beschäftigungstherapie für die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger, die den wohlverdienten Ruhestand nicht wörtlich nehmen wollen. Ein Ehrenamt scheint auch eine Art Generator für gesellschaftliches Ansehen zu sein: wer eins hat, bekommt Ehre, auch dann, wenn er oder sie den sozialen Status nicht (mehr) durch Berufstätigkeit oder ökonomischen Erfolg behaupten kann. Und das ist auch alles ganz gut so.
Zu jungen Menschen und zu mu:v passt der Begriff Ehrenamt dagegen irgendwie nicht so gut. Ämter bekleiden wir nicht. Das schreit sowieso eher nach Behörde als nach junger Musik-Initiative. Das zu tun, was wir eben tun, ist uns auch keine Ehre, sondern macht uns in erster Linie einfach Spaß. Und in zweiter Linie glauben wir, dass es notwendig ist, das zu tun, was wir tun. Denn täten wir es nicht, gäbe es die Kurse, mu:v-Camps, mu:v-Treffen usw., die uns wichtig sind, die nicht nur uns, sondern hoffentlich auch den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Spaß machen, einfach nicht. Auch die mu:v-Initiative arbeitet komplett „ehrenamtlich“, besser gesagt freiwillig und ohne Kohle. Vergleichbare Angebote wie etwa das mu:v-Camp gibt es von staatlicher Seite nicht. Ha, also schon wieder ein Bereich, in dem der Staat nicht genügend Angebote macht, kein Geld für Kultur ausgeben will und wo jetzt arme Schüler und Studenten ran und es selber machen müssen – könnte man meinen (dass der Staat vielleicht tatsächlich zu wenig Geld für Kultur ausgibt, sei jetzt mal außen vor).
Doch das wäre ein bisschen voreilig. Denn eigentlich ist es doch ganz gut, dass nicht der Staat vorgibt, wie ein mu:v-Camp auszusehen hat oder welchen Kurs wir organisieren sollen. Das denken wir uns dann doch lieber selber aus, so wie wir es für sinnvoll halten. Es sind nicht die Ideen irgendeiner Kulturstaatsministerin, wie kulturelle Jugendbildung auszusehen hat, sondern unsere eigenen, die wir versuchen umzusetzen. Und natürlich werden die Projekte, die wir uns ausdenken und auf die Beine stellen, auch von der öffentlichen Hand gefördert – meist vom Bundesjugendministerium, von der Stadt Weikersheim oder anderen. Ohne diese finanzielle Unterstützung könnte etwa das mu:v-Camp nicht stattfinden. Doch genauso wichtig, oder vielleicht sogar wichtiger als die Förderung konkreter Projekte wäre es, auch Strukturen zu unterstützen, die es ermöglichen, dass bei jungen Menschen überhaupt eigene Ideen entstehen, und vor allem, dass sie diese Ideen einbringen und in die Realität umsetzen können. Denn das ist eine wirklich schwierige Aufgabe. Junge Menschen in unserem Alter, also zwischen, sagen wir, 15 und 30, haben alles andere als viel Zeit, um sich in der Zivilgesellschaft zu engagieren. Wir müssen zusehen, einen guten Schulabschluss zu machen, zusehen, einen guten Studien- oder Ausbildungsplatz zu bekommen, und schließlich auch, dass wir Geld mit dem verdienen können, was wir machen.
Damit junge Ehrenamtliche mit wechselnden Interessen, wechselnden Wohnorten und auch schwankender zeitlicher Kapazität für ihr Engagement, sich konstant und erfolgreich einbringen können, braucht es kreative Modelle, wie Nicht-Profis und Profis, Ehrenamt und Hauptamt ineinander greifen. So gesehen ist ehrenamtliches Engagement ein Luxus.
Ein Luxus, den wir uns aber unbedingt leisten können sollten. Staatliche Initiativen der jüngeren Vergangenheit, wie z.B. die Verkürzung der Schulzeit in einigen Bundesländern, die Einführung von Ganztagsschulen oder die Umstellung auf das Bachelor-/Mastersystem an den Universitäten haben das eher nicht erleichtert – im Gegenteil. Zivilgesellschaftliches Engagement junger Menschen geht – vor allem auch im kulturellen Bereich – stark zurück. Dabei ist der Staat auf solches Engagement unbedingt angewiesen, für Leistungen, die er selbst nicht erbringen kann und nicht immer erbringen soll.
Bei mu:v und bei der Jeunesses Musicales Deutschland versuchen wir, Strukturen zu schaffen und zu etablieren, die genau solches Engagement möglich machen. Das mu:v-Camp findet 2016 zum vierten Mal statt, drei mu:v-ler sind mittlerweile im Vorstand der JMD vertreten, zwei Mal im Jahr trifft sich die mu:v-Initiative, um neue Ideen zu beraten. Wenn die nötige professionelle, hauptamtliche Unterstützung nicht fehlt, kann junges Ehrenamt also einiges bewegen.