Berichte zur Arbeit: Musik & iPads
Inhalt:
- LKJ-Förderprogramm: Mit Klanglandschaften gegen digitalen Schluckauf
- Projektbericht: Ferien-Workshop: „iPad als Musikinstrument“
- Musikschüler trauen sich - Live-Elektronik mit iPad´s
Mit Klanglandschaften gegen digitalen Schluckauf
LKJ-Förderprogramm „Etwas Butter bei die Fische“
unterstützt Workshops für Komposition mit iPads
Dass Jugendliche mit Smartphones weit mehr können als stupide Textnachrichten hin und her zu senden und dass mit iPads mehr geht als monotone Spiele, das zeigen zwei Workshops, die mit Unterstützung des LKJ-Förderprogramms „Etwas Butter bei die Fische“ umgesetzt werden konnten.
Der LKJ-Mitgliedsverband „Jeunesses Musicales Deutschland – Landesverband Niedersachsen“ führte im Rahmen des Ferienprogramms des Stadtjugendrings in Zusammenarbeit mit einem Lüneburger Jugendzentrum im Juli 2017 zwei Workshops für Jugendliche durch: „Deine Musik mit dem iPad“ und „Klangforscher auf Hör-Spurensuche mit dem iPad“.
„Im ersten Workshop ging es darum, mit einer kostenlosen Launchpad-App mit simplen Schlagzeugklängen verschiedene Rhythmen zu spielen“, erklärt Claus-Dieter Meier-Kybranz vom Landesverband, der für die Planung und Durchführung der Workshops verantwortlich ist. „Später experimentierten die Teilnehmer*innen mit Melodie- und Rhythmuspatterns, um anschließend die Sounds mit eigens aufgenommenen Vokalsounds auszutauschen.“
Hier gab es schon die eine oder andere erstaunte Reaktion: „Was? Sowas kann ich mit meiner eigenen Stimme machen?“ äußerte einer der elf- bis fünfzehnjährigen Teilnehmer*innen, von denen übrigens auch einige aus der ländlichen Umgebung von Lüneburg stammten.
In dem zweiten Workshop wurde mit dem iPad die Stadt nach interessanten Klanglandschaften durchsucht. „Denn die besten Sounds sind oft die, die einem im Alltag irgendwo spontan begegnen: Regenschauer, tropfende Regenrinnen, Kaufhausatmosphäre, Pferdekutschen, Verkehrslärm etc.“ erläuterte Claus-Dieter Meier-Kybranz. Anschließend wurden die Sounds zu einem Mix zusammengeführt.
Für den Landesverband Niedersachsen der Jeunesses Musicales sind solche Workshops eine geeignete Maßnahme gegen den sogenannten „digitalen Schluckauf“ also die Angewohnheit, mit dem Smartphone oder dem Tablet von einer App zur anderen zu switchen. „Hier kann man lernen, sich einmal länger mit einer Sache zu beschäftigen,“ resümiert Claus-Dieter Meier-Kybranz. Zum Beispiel einen Klangverlauf so lange zu modulieren, bis er gut klingt.“ Hierfür eignen sich Apps im besonderen Maße gut.
Sie sind „barrierefrei“, die Handhabung ist intuitiv.
„Komponieren erfährt dadurch eine neue Dimension,“ reflektiert der Workshopleiter. „Komponieren und realisieren bilden eine Einheit, vieles mit dem iPad entsteht durch intensives Ausprobieren.
Ganz nebenbei wird die Akzeptanz neuer Hörräume geschult. Das Komponieren wird dadurch zu einem Erlebnisbereich unterschiedlicher Klangstrukturen.“
Da kann man dem jugendlichen Teilnehmer nur beipflichten, der am Ende des Workshops bedauernd feststellte: „In der Schule machen wir so etwas Cooles leider nicht!“
Kai Krüger
Öffentlichkeitsarbeit Freiwilligendienste
LKJ Niedersachsen
Projektbericht „iPad als Musikinstrument“
Die Förderungsinitiative der LKJ-LV Niedersachsen seit 2014 ermöglicht die Erweiterung der bisherigen umfangreichen Arbeitsmöglichkeiten im Fortbildungszentum für Neue Musik zu aktuellen Kreativitätsentwicklungen im klanglichen Bereich.
Ferien-Workshop: „iPad als Musikinstrument“
Do., 28. Juni 2018, 15-17 Uhr im Fortbildungszentrum für Neue Musik Lüneburg
Brüllende Hitze haben jugendliche Teilnehmer*innen nicht davon abgehalten zu einem
Ferien-Workshop ins Fortbildungszentrum für Neue Musik Lüneburg mit dem Thema „iPad als Musikinstrument“ zu kommen. Der Workshop wurde in Kooperation mit der Jugendpflege der Hansestadt Lüneburg, der Jeunesses Musicales LV-Niedersachsen, dem Fortbildungszentrum für Neue Musik Lüneburg und der mit Unterstützung der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Niedersachsen (LKJ) „etwas Butter bei die Fische“ gefördert. Der iPad-Workshop wurde geleitet von Claus-Dieter Meier-Kybranz, einem profunden Kenner der Materie, seit vielen Jahren Mitarbeiter des Fortbildungs-zentrums und hauptberuflich Lehrer an der Hugo-Friedrich-Hartmann-Oberschule in Bardowick.
Doch nun zum „iPad als Musikinstrument“: Lust einen aktuellen Hit mit der GarageBand-App nach zu spielen? Du spielst Schlagzeug, Bass, Keyboard oder Gitarre auf dem iPad – jeder kann das! Anschließend kannst du eine Coverversion mit deinen eigenen Rhythmen, Melodien und Sounds aufnehmen.
Folgende Apps wurden verwendet:
Chordify (Transkription incl. YouTube),
Circle of Fifths (Musiktheorie: Quintenzirkel),
GarageBand (Produktionswerkzeug, Digital Audio Workstation)
Produktion eines Four-Chords-Songs:
Seit die australische Comedy-Rock-Band „Axis of Awesome“ aktuelle Hits mit ihrem „Four-Chords Song“ zitiert, gibt es unzählige Beispiele, welche bei Wikipedia und Spotify gelistet werden.
Als Vorlage für meinen Workshop habe ich Soul-Pianoballade „Hello“ der britischen Sängerin Adele ausgewählt. Der Song wurde am 23. Oktober 2015 als erste Single-Auskopplung aus ihrem dritten Album 25 veröffentlicht. Das Lied aus der Feder von Adele und ihrem Produzenten Greg Kurstin setzt sich mit den Themen Nostalgie und Bedauern auseinander.
„Hello“ hat die Hit-Akkordfolge Em – C – G - D, also in Tonstufen VI – IV – I – V ausgedrückt. Wir beginnen mit der akustischen Gitarre und wählen hierfür die Instrumentenkarte Smart Gitarre. Taktart (4/4), Tempo (79 BPM), Tonart (G-Dur) und Quantisierung (Gerade Viertel-Note) sowie Länge des Songabschnittes (4 Takte, Intro) werden eingestellt. Bevor wir nun zur Aufnahme kommen, wird mit dem Metronom die Akkordfolge und der taktweise Wechsel geprobt. Ist man mit der Aufnahme zufrieden, kann man weitere Songabschnitte (Strophe – Refrain – Strophe – Refrain – Bridge – Refrain – Outro) generieren und die aufgenommene Gitarrenspur duplizieren. Nach diesem Prinzip werden anschließend Bass und Schlagzeug als Bestandteile der Rhythmusgruppe hinzugefügt. Weitere Differenzierungs- und Ausdrucksmöglichkeiten in der Rhythmusgruppe sind Audio-Grooves, virtuelle Drummer und Perkussions-instrumente. Später haben wir noch ein akustisches Klavier und Streicherinstrumente hinzugefügt um das Playback eines Four-Chords-Song zu komplettieren. Die einzelnen Formabschnitte können umgestellt, neu instrumentalisiert und in ihrer Struktur (Klangfarbe, Rhythmik) variiert werden. Zu guter Letzt kann man eine Gesangsspur aufnehmen oder spielt die Melodie mit einem zur Auswahl stehenden Weltinstrumente (Pipa, Erhu) oder probiert die Sound Library aus. Zum Schluss besteht die experi-mentelle Möglichkeit die Spuren durch einen Effektkanal (Filter, Delay, Repeater und Hall, …) zu schicken und dem Ganzen noch ein Sahne-Häubchen zu geben.
Resümee und Ausblick
Das Projekt hat große Zustimmung erfahren und sollte auch in Schulen Eingang finden. Der intuitive Zugang erlaubt allen Teilnehmer*innen ein Arrangement mit verschiedenen Instrumenten und Stilrichtungen zu erstellen. Wünschenswert wäre eine Performance mit mehreren Akteuren zu etablieren, im Sinne eines Mobile-Phone/iPad-Orchesters (2007, „MoPhO“ der Stanford University und das „Yamaha Mofiano Mobile Orchestra Tokio“).
Claus-Dieter Meier-Kybranz
Musikschüler trauen sich - Live-Elektronik mit iPad´s
Flötisten, Gitarristen, Streicher, Holzbläser und Sänger erforschen neues Terrain mit Hilfe von iPads, die als Effektgeräte abgefahrene, spacige, geloopte, gefilterte und verzerrte Klänge über Lautsprecher übertragen.
Folgende Apps wurden verwendet:
MusikDienste | Audiobus3, AUM, AudioShare, BlueBoard, apeMatrix, (Audio-Verknüpfung und Speicherung, Routing) |
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MusikEffekte | Delay: GliderVerb, AudioReverb, AltiSpace, Singaling, apeDelay, Reverser Delay |
Reverb: ADverb2, AudioEffX, R0Verb, ADverb2, FS FreezeVerb, Eos2 | |
Filter: DubFilter, apeFilter, Filterstation2 | |
Chorus: Emo Chorus, Chorus, Zero Chorus | |
Equalizer: DC-9 Overdrive | |
Pitch: Voice Synth, Harmony Eight, Harmony Voice, Harmonizer, DerVoco | |
Loop: Loopy HD, Group the Loop (aktuell) | |
Ring-Modulation: iVCS3 | |
Multieffekte: AUFX:DUB, AudioEffx | |
Begleitarrangement | GarageBand, iReal Pro |
optionale Zusatzgeräte:
Audio-Interfaces, Mikrofone, Stereo-Anlagen, Kopfhörer, Stative, BlueBoard (MIDI-Controler + App)
Live-Elektronik
Die Live-Elektronik ist ein Teilgebiet der elektronischen Musik, die Anfang der 60er Jahre einsetzte und den Versuch darstellt, die Realisation elektronischer Klänge aus der Abgeschiedenheit der Studios in die Konzertsäle zu verlegen. In der Regel werden instrumentale, vokale und konkrete Klänge durch Mikrofone in Modula-tionsbausteine (Filter, Ringmodulator, Effektgerät) eingespeist und "live", während der Aufführung verändert, an den Ausgang von Lautsprechern geschickt.Die Modulationsintensität kann der Interpret durch den Abstand zum Mikrofonselbst steuern. Die elektronische Klangumformung wird auch als Klangerweiter-ung bezeichnet.
Der Begriff „Live-Elektronik“ umfasst auch die Realisation und Präsentation elektronischer Klänge unter Verwendung des Synthesizers und / oder die Zu-spielung von Audioquellen im Sinne einer Klangerweiterung bzw. Instrumentation.
Die Klangerweiterungs- bzw. verfremdungsmöglichkeiten sind nahezu unbegrenzt und können folgende Parameter, systematisch betrachtet, modifizieren:
· die Lautstärke, (Verstärkung, Mikrofone)
· die Tonhöhe, (Vocodereffekte, siehe Pitch-Apps)
· die Klangfarbe, (Ringmodulation: Addition und Subtraktion von zwei Klangquellen, Chorus, Filter)
· die Artikulation, (Envelope: Lautstärkeverlauf)
· die Räumlichkeit (Hall, Delay: Echo) sowie
· die Klangperspektive (Lautsprechersysteme, Vibrations-/ Resonanzlaut-sprecher, Kopfhörer, mobile
Klangwanderung mit dem System).
Diese Betrachtungsweise ist rein hypothetisch, soll aber den Spielraum von kompositorischen Anknüpfungspunkten und Ausdrucksformen verdeutlichen.
„Nach einer kurzen Einführung in die Thematik der Live-Elektronik konnten wir in verschiedenen Räumen die Teilnehmer aufteilen. Es gibt eine Mädchengruppe (Stimme, Violine, E-Gitarre), Flötengruppe (zwei Schüler mit Lehrerin) und in Einzelarbeit jeweils ein Gitarrist und eine Pianistin.
Die Mädchengruppe nutzen zwei Inputs (Eingänge für Mikrofon: Stimme/Violine und E-Gitarre). Zwei spielen live und die Dritte übernimmt den Part der Live-Elektronikerin am iPad. Die Hörergebnisse sind in experimenteller Rockmusik zu verorten. Sie hatten riesen Spaß an den ungewöhnlichen Klängen.
Die Flötengruppe hat sich zur Aufgabe gemacht, wie man mit unterschiedlichen Verzögerungen (Delay) eine Komposition realisieren kann. Hier taucht das Problem der Latenzzeit auf, einer systembedingten Verzögerung. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Beschäftigung mit einer App, mit der man Loops erstellen kann. Die erzeugte Musik wird aufgenommen und mehrfach hintereinander abgespielt – geloopt. Darauf kann der Musiker einen zweiten Loop “overdubben”. Im Grunde musiziert ein Solist mit sich selbst live, schafft seinen eigenen Kontrapunkt / seine eigne Begleitung intuitiv.
Des Weiteren wurde gezeigt, wie man ein Begleitarrangement für den Unterricht nutzen kann.
Der Gitarrist und die Pianistin haben eigene Übungsstücke mitgebracht und sich dem Thema der Live-Elektronik genähert und mit unterschiedlichen Effekten experimentiert.“
Resümee und Ausblick
Das Projekt hat große Zustimmung durch die Teilnehmer*innen erfahren, die bisher keine Erfahrungen mit dem Umgang mit Live-Elektronik hatten. Auf Anregung von Musikschullehrern und durch Werbung haben sie zu dem Workshop gefunden. Alle waren überrascht von der Vielfalt der Möglichkeiten der Klangveränderung bzw. -erweiterung. Dies Thema ist für die Jugendlichen absolutes Neuland, welches unbedingt eine Fortsetzung erfahren sollte. Die Musikschullehrerin war so begeistert, dass sie den Einsatz von iPads im Unterricht unbedingt nutzen möchte.
Eine coole Veranstaltung, die viel zu kurz war, ist die anschließende und einstimmige Meinung aller Teilnehmer*innen.
Ausblick
Der Personenkreis „Musikschule“ ist sehr interessiert an einer Fortsetzung. Aktuelle Musik im Jazz-/Pop-Bereich und der Avantgarde sind lohnende Arbeitsfelder, die den Einsatz von iPads beflügeln.
Der zeitliche Rahmen für die Workshops sollte zukünftig weiter ausgedehnt werden, um in die Materie tiefer einsteigen zu können und zu fokussieren. Die Klangeffekte sollten nicht nur „aufgesetzt“ werden, sondern integraler und interaktiver Bestandteil neuer fantasievoller Ausdruckformen sein.
Der Improvisation und Komposition sollte einen größeren Stellenwert bekommen, um die Experimente in eine Werkform (Arrangement, Komposition) zu komponieren und zu performen.
Claus-Dieter Meier-Kybranz
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